
Gewerbeverlust: Keine Relevanz der Unternehmensidentität bei Anwachsung?
Ein Verlust kann bei der Gewerbesteuer - in gewissen Grenzen - in einem der kommenden Erhebungszeiträume mit einem positiven Gewerbeertrag verrechnet werden (Verlustvortrag gem. § 10a GewStG). Die Kürzung des Gewerbeertrages in dem jeweiligen Gewinnjahr setzt aber sowohl eine Unternehmer- als auch eine Unternehmensidentität voraus. Nur derjenige, der den Verlust erlitten hat, soll ihn später gewerbesteuermindernd geltend machen können. Und auch die Tätigkeiten des Betriebes sollen - weitestgehend - gleich geblieben sein. Bei Kapitalgesellschaften wiederum wird die Unternehmensidentität allerdings als unproblematisch angesehen, denn ihre Tätigkeit gilt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Eine Änderung ihrer wirtschaftlichen Betätigung berührt die Unternehmensidentität einer Kapitalgesellschaft nicht, solange derselbe einheitliche Gewerbebetrieb weiterhin existiert. Das Kriterium der Unternehmensidentität hat danach für den Fortbestand des vortragsfähigen Gewerbeverlusts bei einer Kapitalgesellschaft - zumindest grundsätzlich - keine Bedeutung.
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass ein ursprünglich im Betrieb einer Personengesellschaft entstandener und durch Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft übergegangener Gewerbeverlust nicht dadurch entfällt, dass die Kapitalgesellschaft den verlustverursachenden Geschäftsbereich im Wege eines Asset Deals weiterveräußert (BFH-Urteil vom 25.4.2024, III R 30/21). Die Klägerin, eine GmbH, hatte als Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH & Co. KG im Jahr 2011 deren Gewerbeverlust übernommen. Auslöser der Gesamtrechtsnachfolge war eine durch eine Verschmelzung verursachte Anwachsung des KG-Vermögens. Die Klägerin führte den Betrieb der KG zunächst weiter. In den Feststellungsbescheiden zum vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2011 und 31.12.2012 blieb der zum 31.12.2010 festgestellte Gewerbeverlust der KG bei der Klägerin erhalten. Zweifelhaft wurde dies im Streitjahr 2013, in dem sie ihr operatives Geschäft durch Übertragung aller Vermögenswerte (Asset Deal) veräußerte. Im Anschluss an eine Außenprüfung betrachtete das Finanzamt den von der KG herrührenden Gewerbeverlust bei der Klägerin als untergegangen und erließ entsprechende Änderungsbescheide. Das Finanzgericht gab der von der Klägerin erhobenen Klage statt.
Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt. Es bestehe keine Grundlage für das vom Finanzamt bejahte Entfallen des bei der GmbH nach der Anwachsung ununterscheidbar festgestellten Gewerbeverlusts. Insbesondere gehe eine solche weder aus § 10a GewStG noch aus § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG hervor. Von dem Grundsatz der Unerheblichkeit der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft sei nach geltendem Recht auch im Anschluss an eine Anwachsung keine Ausnahme zu machen. Die Veräußerung des von der KG übernommenen Geschäftsbetriebs habe nichts daran geändert, dass die bei der Klägerin verbliebene andere Unternehmenstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Abs. 1 GewStG weiterhin in vollem Umfang als einheitlicher und zugleich identischer Gewerbebetrieb galt. Um zu dem vom Finanzamt gewünschten Entfallen des von der KG übernommenen Gewerbeverlusts bei der GmbH zu gelangen, bedürfte es sowohl in materiellrechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht einer näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber.
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